Portraitfotografie
Fotografie Tipps

Tiefenschärfe – alles wissenswerte & Tipps

In der Fotografie bezeichnet der Begriff Tiefenschärfe den scharf abgebildeten Bereich eines Bildes. Vor und hinter diesem fokussierten Bereich, werden Objekte weiter abnehmend immer unschärfer dargestellt – das ist dann das sogenannten Bokeh.

Mit einer geringen Tiefenschärfe ist gemeint, dass der scharf abgebildete Bereich sehr klein ist (z.B. Portrait: von der Nasenspitze zum Ohr bei einer Person). Mit einer hohen Tiefenschärfe ist gemeint, dass der scharf abgebildete Bereich sehr groß ist z.B. Architekturfotografie: wo in einer Entfernung von 2 m bis unendlich alles scharf abgebildet wird. Ob Sie die Bezeichnung Tiefenschärfe oder Schärfentiefe benutzen ist Ihnen überlassen, beides meint dasselbe: Tiefenschärfe = Schärfentiefe 

Was beeinflusst die Tiefenschärfe?

In folgenden Abschnitten möchte ich Ihnen die Faktoren verständlich erläutern, welche die Tiefenschärfe beeinflussen. Folgende vier Faktoren gibt es:

  1. Blende
  2. Brennweite
  3. Entfernung zum Motiv
  4. Sensorgröße
Blende 4

1. Blende

Die Blende ist eine mechanische Vorrichtung an vorderster Stelle des Objektivs. Sie besteht aus Lamellen, welche die Größe der Öffnung des Objektivs bestimmt und damit den Lichteinfall regelt (neben der Belichtungszeit = Verschlusszeit). Die Lamellen schließen sich im Moment des Auslösens beim Fotografieren auf die vorher eingestellte Öffnung (Blendenzahl). Zum Beispiel f/5.6. Die größtmögliche Blendenöffnung eines Objektivs nennt man Offenblende. 

Wie beeinflusst die Blende die Schärfentiefe?

Die Blende wird hauptsächlich genutzt, um die Schärfentiefe zu beeinflussen, aber auch um Bewegungsunschärfen zu vermeiden. Ganze Blendenzahlen sind: f/1 – f/1,4 – f/2 – f/2,8 – f/4 – f/5,6 – f/8, f/11 – f/16 – f/22.

Eine kleine Blendenöffnung (hohe Blendenzahl z.B. f/8) führt in der Regel zu einer scharfen Darstellung innerhalb des gesamten Bildes (hohe Tiefenschärfe) – es sei denn, Objekte befinden sehr nah an der Kamera (siehe Entfernung zum Objekt). In der Architekturfotografie wird deshalb bei digitalen Spiegelreflexkameras meist mit den Blenden 8 und 11 gearbeitet, um alle Motive scharf darzustellen.

Eine große Blendenöffnung (kleine Blendenzahl z.B. f/2) führt zu einem Bild, dass nur einen kleineren scharfen Bereich hat (z.B. das Gesicht einer Person) – natürlich in Bezug zu den anderen Faktoren, welche die Tiefenschärfe beeinflussen (Entfernung zum Motiv, Brennweite, Sensorgröße). Diese Eigenschaft wird zum Beispiel bei Portraits genutzt, um den Blick auf die Person zu lenken. 

Technisch gesehen

Was technisch gesehen bei der Veränderung der Blende passiert (vor allem am Sensor) und wie eine geringe- & hohe Tiefenschärfe entsteht, das erklären ich weiter unten im Abschnitt Zerstreuungskreise. Sehr interessant für fortgeschrittene & fotografiebegeisterte Personen.

Teleobjektiv vs. Festbrennweite

2. Brennweite

Die Brennweite ist in der Fotografie, der Abstand zwischen der Hauptebene einer optischen Linse (Sammellinse) und dem Fokus (Brennpunkt). Die Sammellinsen konzentrieren dabei ein parallel einfallendes Strahlenbündel im Brennpunkt. Danach werden die Strahlen (Lichtpunkte) umgekehrt auf den Sensor projiziert. Mit ändern der Brennweite an der Kamera, wird der Bildwinkel geändert, um das Motiv entsprechend darzustellen oder überhaupt darstellen zu können.

Ist das Motiv beispielsweise ein Haus das 10 Meter entfernt ist, kann mit einem Weitwinkel gearbeitet werden (z.B. 14 mm Brennweite = 104,3° Bildwinkel), um das ganze Haus und die Umgebung darzustellen. Es kann aber auch mit einen Brennweite von 50 mm gearbeitet werden (Bildwinkel 39,6°), um nur einen Teilbereich zu zeigen. 

Wie beeinflusst die Brennweite die Schärfentiefe?

Regel: Je kleiner die Brennweite, desto größer die Schärfentiefe (der scharfe Bereich). Eine kleine Brennweite (kleine Zahl z.b. 24 mm Weitwinkel) hilft dabei, eine große Tiefenschärfe zu erzeugen (alles scharf darzustellen). Im Gegensatz dazu, führt eine große Brennweite, zum Beispiel bei einem 200 mm Teleobjektiv zu einem Bild mit einem kleinen Tiefenschärfebereich (es wird nur das Motiv scharfgestellt, davor und dahinter wird es unscharf). 

Bitte beachten Sie dabei die Vorteile und Nachteile von Weitwinkel- und Teleobjektiven. Ein Weitwinkel z.B. führt bei einem Bild auf dem zwei Personen zu sehen sind (eine Person sehr nah an der Kamera und eine weiter weg) zu signifikante Größenunterschieden.

Das Ganze wird genutzt, um bei Betrachtern das Gefühl zu erzeugen, mitten im Geschehen zu sein. Siehe Kameraführung des Oscarpreisträger Emmanuel Lubezki im Film “The Revenant” – sehr beeindruckend.

Demgegenüber erzeugt eine Brennweite im Telebereich (z.B. 200 mm) eine sogenannte geraffte, verdichtete Perspektive. Bei Motiven die weit voneinander weg stehen (Personen, Gebäuden) entsteht so der Eindruck, dass sie nah beieinander liegen.

Bewerbungsfoto

3. Entfernung zum Motiv

Je weiter das Motiv entfernt ist, umso schwerer wird es, vor und hinter dem Motiv Unschärfe zu erzeugen (das Motiv freizustellen). Aus diesem Grund kann auch durch eine Enfernungsveränderung zum Motiv, die Schärfentiefe beeinflusst werden.

Beispiel: Sie gehen ca. 30 cm an ein Motiv heran, fokussieren und fotografieren. Das Ergebnis wird so aussehen, dass selbst bei einer kleinen Blendenöffnung (f/8) und bei einer Brennweite von 24 mm der Hintergrund sehr unscharf dargestellt wird. Mehr brauch man dazu eigentlich nicht zu sagen.

Objektibajonett

4. Sensorgröße

Der Bildsensor einer Kamera ist eine Vorrichtung zur Aufnahme von zweidimensionalen Abbildern aus Licht, auf elektrischem oder mechanischem Wege. Vor der Digitalfotografie wurde dazu bei Kleinbildkameras ein 35 mm breiter lichtempfindlicher Film genutzt (Bildformat 36 mm × 24 mm), was heute dem Vollformat Sensor entspricht. 

Wie beeinflusst der Kamerasensor die Tiefenschärfe?

(Kleine) Kameras mit kleinem Sensor können nur sehr schwer Objekte freistellen (eine geringe Tiefenschärfe erzeugen) – vor allem wenn die Kamera weiter vom Motiv entfernt ist. Regel: Umso größer der Sensor, umso leichter ist es, eine geringe Tiefenschärfe zu erzeugen (Portraitfotografie). 

Sensoren nach Größe

  • Mittelformat (48 mm x 36 mm)
  • Kleinbildformat (36 mm x 24 mm)
  • APS C (22,2 mm x 14, 8 mm)
  • Four Third (17,3 mm x 13,0 mm)
  • IPhone 6S Plus Sensor (6,2 mm x 4,6 mm)

Das Wesentliche hierbei ist, dass bei Kameras mit kleinem Sensor, im Vergleich zum Kleinbildformat (36 mm x 24 mm), die Brennweite kleiner gewählt werden muss, um den gleichen Bildausschnitt zu erhalten (Crop Faktor). Diese Verringerung der Brennweite führt (siehe Abschnitt “Brennweite”) zur Vergrößerung der Tiefenschärfe.

Soll die (geringe) Tiefenschärfe einer Vollformatkamera erreicht werden (Blende 4, Brennweite 50 mm) muss bei einer Micro Four Thirds-Kamera, bei gleicher Entfernung zum Motiv und gleichem Bildwinkel (Ausschnitt), die Blende und die Brennweite um den Cropfaktor (Formatfaktor) halbiert werden. Der Cropfaktor bei einer Micro Four Thirds-Kamera beträgt 2,0. Das bedeutet deshalb, dass bei einer Micro Four Thirds-Kamera eine Blende von f/2 und eine Brennweite von 25 mm eingestellt werden müssten, um die Tiefenschärfe einer Vollformatkamera zu erhalten.

Das Ganze funktioniert aber nur bei relativ nahen Motiven. Für kleine Kameras, mit kleinen Sensoren (Smartphones) ist es aus diesen Gründen optisch nicht im gleichen Maße möglich, mit Tiefenschärfe zu arbeiten, wie es bei APS C- , Kleinbildformat- oder Mittelformat-Kameras möglich ist. 

Bewerbungsfoto

5. Zerstreuungskreise: So entstehen unscharfen Bereiche im Bild

Der Sensor der Kamera bildet nur das wirklich scharf ab, worauf fokussiert wurde und was exakt auf der Fokussierebene liegt. Das bedeutet: befindet sich das Motiv in 3 Meter Entfernung, dann werden alle anderen sichtbaren Bildpunkte die auch in 3 Meter Entfernung liegen, scharf dargestellt.

Jeder Bildpunkt der deshalb später nicht genau auf der Sensorebene liegt, sondern davor oder dahinter, wird nicht mehr als Bildpunkt dargestellt, sondern als Zerstreuungskreis (Zerstreuungsscheibchen). Je weiter deshalb der Schnittpunkt zur Bildebene (Sensor) über- oder unterschritten wird, desto größer wird der Zerstreuungskreis, also der unscharfe Bereich im Bild.

Dazu muss man sich vorstellen, dass die Spitze des Lichtkegels, welcher durch eine fokussierte Abbildung eines Bildpunktes (Motives) entsteht, durch das Linsensystem des Objektiv gelangt und genau auf die Filmebene trifft. Im Gegensatz dazu steht ein Motiv, das beispielsweise 1 m vor der Fokussierebene (und nicht scharf gestellt ist) liegt und dessen Lichtkegel (theoretisch) über den Sensor hinausragt. Hier wird deshalb kein winziger scharfer Bildpunkt auf den Sensor projiziert, sondern ein Zerstreuungskreis, der der Größe des abgeschnittenen Lichtkegels entspricht. Das gleiche gilt für ein Motiv das hinter der Fokussierebene steht.

6. Mittels Tiefenschärfe gestalten

Möchte man ein bestimmtes Motiv hervorheben, den Blick des Betrachters lenken oder eine gewisse Spannung aufbauen, kann innerhalb der Fotografie mit verschiedenen Mitteln gearbeitet werden. Beispiele sind: Entfernung zum Motiv, Bewegung, Aktion, Ausschnitt, Helligkeit & Licht, Farbe oder Perspektive. Eines der besten Mittel ist und bleibt aber trotzdem die Steuerung per Tiefenschärfe. Im folgenden ein paar Beispiele, wie innerhalb der verschiedensten Fotografiearten mittels Tiefenschärfe gestaltet werden kann. 

Portrait

Beim Portrait wird in der Regel der Vordergrund und Hintergrund sehr unscharf dargestellt, um den Blick auf das Motiv zu lenken und die Bildaussage zu verstärken. Es gibt Portraits bei denen nur die Augen scharf dargestellt werden. Andererseits kann auch bei Portraitaufnahmen die Einbeziehung der Umgebung maßgeblich zur Bildaussage beitragen.

Architekturfotografie

Architekturfotografie

Innerhalb der Architekturfotografie wird in der Regel mit einer großen Tiefenschärfe gearbeitet. Der Grund hierfür ist, dass alle architektonischen Elemente scharf dargestellt werden sollten, um eine genaue Betrachtung zu ermöglichen. Hierbei darf nicht vergessen werden, dass die einzelnen Bildelemente relativ klein sind und schon deswegen eine hohe Schärfe geboten ist. Natürlich kann auch hier mit Unschärfe gearbeitet werden, um den Blick zu fokussieren – was gerade in der Interieurfotografie gern genutzt wird.

Eventfotografie

Eventfotografie & Hochzeitsfotografie

Hier sollte und muss mit allen Möglichkeiten der Tiefenschärfe gearbeitet werden. Bei einer Gruppe kann eine Person freigestellt werden, um den Blick zu ihr zu lenken (z.B. mit Blende 2.8), aber es kann auch so fotografiert werden, dass alle Personen, in allen Einzelheiten sehr gut zu erkennen sind (z.B. Blende 5,6) – es wäre schade, wenn nur künstlerisch gearbeitet wird und das Wesentliche vergessen wird: Verwandte, Freunde und Bekannte.

Das Ganze gilt auch beim fotografieren von zwei Personen z.B. bei einer Hochzeit (Brautpaar Shooting). Hier muss ganz besonders darauf geachtet werden, dass die Tiefenschärfe zur Situation passt. Es wäre fatal, wenn nur so fotografiert wird, dass immer eine Person scharf dargestellt wird und der Partner – Bräutigam oder Braut – nur ein unbedeutendes Beiwerk sind.

Sie sollten sich deshalb beim fotografieren immer folgende Fragen stellen:

  1. Lenke ich den Blick auf eine oder beide Personen?
  2. Soll der Hintergrund schärfer dargestellt werden?
  3. Oder, soll der Hintergrund unscharf gezeigt werden?
  4. Steht das Paar auf gleicher Höhe?
  5. Welche Blende brauche ich bei entsprechender Brennweite & Entfernung zum Motiv?